Accessibility nach dem EU‑Entscheid: Ihr praxisnaher Leitfaden
Barrierefreiheit ist kein „Nice to have“, sondern Pflicht – und sorgt nebenbei für bessere Usability, SEO und Conversions.
Warum das jetzt wichtig ist
Seit dem 28.06.2025 gelten in der EU mit dem European Accessibility Act (EAA) verbindliche Anforderungen, die in Deutschland über das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wirksam werden. Für viele digitale Angebote privater Unternehmen bedeutet das: Accessibility ist rechtlich gefordert – und wirtschaftlich sinnvoll.
Wer ist betroffen?
- Unternehmen mit digitalen Produkten und Diensten für Verbraucher: Websites, Online‑Shops, Buchungs‑ und Bezahlprozesse, Apps, E‑Books sowie Support‑ und Kommunikationskanäle
- Öffentliche Stellen unterliegen bereits seit längerem der EU‑Web‑Richtlinie 2016/2102
- Ausnahmen sind möglich (z. B. sehr kleine Unternehmen), dennoch sollten Zumutbarkeit und Dokumentationspflicht geprüft werden
Was konkret zu tun ist: Die 4 A‑Säulen der WCAG
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Wahrnehmbarkeit
- Ausreichende Farbkontraste (mind. 4.5:1 für Fließtext, 3:1 für große Schrift)
- Alt‑Texte für relevante Bilder und Bedienelemente
- Untertitel/Transkripte für Video und Audio
- Schrift skalierbar bis 200% ohne Funktionsverlust
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Bedienbarkeit
- Vollständige Tastaturbedienung ohne Fallen
- Sichtbarer, logisch geführter Fokus
- Genügend Zeitfenster für Interaktionen
- Keine Inhalte, die Anfälle auslösen (Blinken < 3x/Sek.)
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Verständlichkeit
- Konsistente Navigation und klare Bezeichnungen
- Fehlerprävention und ‑hilfe in Formularen
- Einfache Sprache für Kernprozesse und Hilfetexte
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Robustheit (Technik)
- Sauberes, semantisches HTML, ARIA nur wo nötig
- Labels, Feld‑Sets, Fehlermeldungen maschinenlesbar
- Kompatibilität mit Screenreadern und Assistenztechnologien
Rechtliche Eckdaten und Nachweise
- Stichtag 28.06.2025: Anwendung des EAA über nationale Gesetze (in DE: BFSG) für viele private Dienste
- Übergangsregelungen sind je nach Bestand möglich, reduzieren aber nicht den Handlungsbedarf
- Nachweise: Barrierefreiheitserklärung, Feedback‑/Beschwerdeverfahren, Dokumentation von Prüfungen und Ausnahmen
Quick‑Check: 15 Punkte für Ihre Website
So gehen wir typischerweise vor
- Status erheben
- Automatisierte Scans plus manuelle WCAG‑Audits kombinieren
- Nutzer‑Tests mit Assistenztechnologien einplanen
- Maßnahmen priorisieren
- Risiken nach Nutzer‑Impact und Rechtsrelevanz gewichten
- Quick‑Wins zuerst: Kontraste, Alt‑Texte, Fokus, Formulare
- Umsetzen und verankern
- Designsystem und Komponentenbibliothek barrierefrei machen
- CI/CD‑Checks, Definition of Done inkl. A11y‑Kriterien
- Schulungen für Redaktion, Design, Dev, QA
- Nachweisen
- Barrierefreiheitserklärung, Feedbackkanal, Monitoring
- Änderungen und Ausnahmen transparent dokumentieren
Häufige Fehler – und wie Sie sie vermeiden
- Kontraste nur im Dark‑Mode fixen statt ganzheitlich
- Icon‑Buttons ohne sichtbares Label oder zugänglichen Namen
- Modale ohne Fokus‑Management und Escape‑Schließen
- Dynamische Inhalte ohne Live‑Regionen oder Statusmeldungen
- „Nur‑Maus“‑Interaktionen, z. B. Hover‑Menüs ohne Tastaturalternative
Fazit
Wer Accessibility frühzeitig strukturiert angeht, erreicht nicht nur Konformität, sondern bessere Produkte für alle – nachhaltig und nachweisbar.